Parlamentarischer Abend vom 12.10.23

Über 100 Gäste beim Parlamentarischen Abend „Schiene“ im Landeshaus

Der Förderverein Ostholsteinbahn Neumünster – Ascheberg – Plön hat am 12.10.2023 im Landeshaus in Kiel einen Parlamentarischen Abend zum Thema Schiene organisiert.

Sensationell und überraschend kamen etwa 110 Besucher - vom interessierten Eisenbahnfan bis zum ehemaligen Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Buchholz. Vorstände und leitende Mitarbeiter mehrerer bekannter Eisenbahnfirmen wie Erixx oder RDC waren vertreten. Neben Landtagsabgeordneten waren auch Vertreter aus den Landkreisen, wie der Landrat des Kreises Plön, Björn Demmin und der Oberbürgermeister der Stadt Neumünster Tobias Bergmann vertreten. Offiziell begleitet wurde der Abend vom Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein (MWVATT) Tobias von der Heide.

Wichtig waren Vertreter mehrerer Eisenbahninitiativen, die sich für eine bessere Bahn und die Reaktivierung von Eisenbahnstrecken einsetzten und aus vielfältigen Blickwinkeln die Bedeutung der Reaktivierung insbesondere der Bahnstrecke Neumünster – Ascheberg zum Ausdruck brachten. Denn darum ging es an diesem Abend.

Der bekannte Professor Heiner Monheim - inzwischen 1. Vorsitzender des noch jungen Vereins Schiene Malente – Lütjenburg (SML) - stellte als erster Referent diesen Verein vor. Ein großes Engagement von vielen Ehrenamtlichen zeigt, wie man gemeinsam eine stillgelegte Bahnstrecke wiederbeleben kann. Monheim ging auch auf die zurückliegende Zeit ein, wo solche Möglichkeiten nicht gesehen und zu viele Bahnstrecken stillgelegt wurden.

Peter Knoke als Vorsitzender des Fördervereins Ostholsteinbahn Neumünster – Ascheberg – Plön (OHB) wies auf die wichtige Netzwirkung dieser Strecke hin. Heute benötige man allein über eine halbe Stunde mit dem Bus oder über 20 Minuten mit dem Auto, um nur von Wankendorf bis nach Neumünster zu kommen. Mit dem Zug dauere dies nur 12 Minuten - eine Fahrzeit, die seit Stilllegung im Jahre 1985 von keinem Verkehrsmittel mehr erreicht worden sei. Ein zeitgemäßer Ausbau könnte die Fahrtzeit auf unter 1/2 Stunde von Neumünster nach Plön reduzieren.

Dr. Tobias Bayr von der Kieler Initiative von „Scientists for Future“ und beruflich beim GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung angesiedelt, hat die Klimakrise als Gefahr und Chance angelehnt an die chinesische Philosophie dargestellt. Einen großen Unterschied gäbe es zwischen einer Erwärmung von 1,5° und 2° Celsius, was er bildlich an den Folgen eines Autounfalls darstellte. Für den Verkehr bedeutete dies eine konsequente Umstellung auf energiearme Mobilität, wie sie u.a. die Bahn bietet.

Staatssekretär Tobias von der Heide stellte den komplexen Hintergrund und sowohl die Probleme der Finanzierung als auch den umfangreichen Planungsaufwand von größeren Projekten darg. Zeitweise war nicht genug Planungskapazität beim Land vorhanden und die vorherige Landesregierung konnte deshalb nicht alle Mittel abrufen. Dieser Mangel sei inzwischen behoben.

Bei der Landesregierung müssen aber auch Reaktivierungs-Projekte, die lange auf der Tagesordnung stehen, umgesetzt werden, wie Rendsburg – Fockbeck, Wrist – Kellinghusen oder Hamburg – Geesthacht.

Wichtig dabei sei, so von der Heide, dass das Land auch Bundesmittel für die Reaktivierung von Bahnstrecken einsetzen könne, um die Investitionen stemmen zu können.

Alexander Montana am 12.10.23 im Landeshaus in Kiel.

Alexander Montana vom VCD am 12.10.23 im Landeshaus in Kiel.

Alexander Montana vom Verkehrsclub Deutschland aus Hamburg hat die Situation der Bahn in Schleswig-Holstein sehr plastisch dargestellt.
Vorbild der Reaktivierungen sei die Strecke Neumünster – Bad Segeberg im Jahre 2002. Hier mussten zeitweise Busse parallel fahren, um den Fahrgastandrang zu bewältigen. Und ein weiterer Ausbau mit einem durchgehenden Zug von Kiel über Segeberg nach Hamburg sei laut einem Landesgutachten möglich.
Bezüglich Neumünster – Ascheberg wies er auf den Einzugsbereich von 10.000 Einwohnern in Wankendorf hin. Die erschlossene Region sei touristisch wertvoll (Wandern an Seen) und Teil der Ost-West-Verbindungen. Wenn Ende 2027 die Generalsanierung Hamburg – Lübeck anstünde, wäre die Möglichkeit, über Neumünster nach Hamburg zu kommen für die ganze Holsteinische Schweiz von Bedeutung. Ganz aktuell zu den Akkuzügen gäbe es die Möglichkeit einer dichteren Stromversorgung durch die Elektrifizierung dieser Strecke und den Bau eines neuen Unterwerks in Plön. Insgesamt würden 150 Kilometer Bahnstrecken in Schleswig-Holstein auf ihre Reaktivierung warten.

Bente Grimm vom NIT stellte dar, wie wichtig die Erreichbarkeit auf der Schiene für die Entwicklung nachhaltiger touristische Angebote ist. Anhand von Daten der Reiseanalyse zeigte sie, dass Schleswig-Holstein im Vergleich zu anderen Bundesländern einen vergleichsweise geringen Anteil an Urlaubs- und Kurzurlaubsreisen hat, bei denen mit der Bahn angereist wird – und dass der hohe Pkw-Anteil negative Auswirkungen auf die Tourismusakzeptanz in den Orten hat. Nachhaltige Alternativen für die schienengebundene Anreise und Mobilität vor Ort seien von Seiten der potenziellen Gäste und Einheimischen erwünscht, bislang aber nicht vorhanden, schwer zugänglich oder nicht attraktiv genug.

Die Bürgermeisterin von Wankendorf, Silke Rossmann machte deutlich, welche Bedeutung die Bahnstrecke für ländliche Unterzentren hat. Die Bahnanbindung nach Neumünster und Plön kann die gut ausgebaute vielfältige Infrastruktur des ländlichen Zentrums beleben und erweitern.

Dr. Holger Busche von der Fachgruppe Mobilität von Scientists for Future (ScfF) stellte eine unglaublich tolle Zukunftsvision für den Schienenverkehr für Schleswig-Holstein vor, die bisherige Grundsätze über Relationen, Streckenverläufe und Einzugsgebiete in Frage stellte. Sein Fokus lag auf der Einbindung des Hamburger Nordraumes in ein leistungsfähiges Schienenverkehrsnetz, z.B. durch eine autobahnparallele Streckenführung. Dieses käme auch der Reaktivierung der Bahnstrecke Neumünster – Ascheberg zugute. Auch für den Güterverkehr gäbe es durch Schnellverladeterminals alle 50-100 km für die Hauptgüter-verkehre neue Perspektiven. Ein toller Blick über den Tellerrand für ein erweitertes Grundverständnis.

Nach einer kleinen Pause gab es noch eine Podiumsdiskussion mit den Vortragenden.

Durch die Veranstaltung führte Vorstandsmitglied Detlef Matthiessen vom Förderverein Ostholsteinbahn, der als ehemaliger Landtagsabgeordneter über die nötige Erfahrung verfügte.

Schlussfolgerungen aus der Veranstaltung sind für den Förderverein Ostholsteinbahn u.a. die Fokussierung auf den Bahnverkehr in SH-Ost sowie die transparente öffentliche Diskussion z.B. in einem Bahnstreckenbeirat.

Die lebhafte Diskussion aller Beteiligten untereinander auch in der Pause spricht dafür, dieses Format eines Parlamentarischen Abends im nächsten Jahr zu wiederholen.

Downloads der Präsentationen:

Peter Knoke

Dr. Tobias Bayr

Alexander Montana

Silke Rossmann

Bente Grimm

Holger Busche